Goethe und Europa

Es gibt wohl kaum eine Figur in der europäischen Geschichte der vergangenen dreihundert Jahre, an der sich die Ausbildung eines wahrhaft "europäischen Geistes" deutlicher ablesen läßt als an Johann Wolfgang Goethe. Schon als Kind war er der französischen, englischen und italienischen Sprache mächtig und Zeit seines Lebens ließ er sich von europäischen Literaten, Philosophen, Musikern, Komponisten und Bildenden Künstlern inspirieren. Aber auch indische, arabische und chinesische Literatur und Kunst beeinflußte ihn. Umgekehrt übte er nachhaltig Einfluß auf das Kulturschaffen und Geistesleben in vielen Ländern - in und außerhalb Europas. Zweifelsohne zählt Goethe unter den historischen Persönlichkeiten zu den Ersten, die europäisches Denken ganz selbstverständlich gelebt, durchgesetzt und damit weitergegeben haben.

Goethe und die Städte

Straßburg und Frankreich

Goethe hatte eine große Vorliebe für französischen Geist, französische Kultur, Literatur und Lebensart. Das Elsaß, und damit Straßburg, gehörte seit 1648 politisch zu Frankreich, war aber damals kulturell und sprachlich deutsch orientiert. Straßburg war ein Ort, in dem beide Kulturen eine friedliche und gesellschaftliche Symbiose eingingen. Für die Heranbildung seiner (künstlerischen) Persönlichkeit waren die Landschaftserlebnisse, seine Liebe zu Friederike im nahen Sessenheim, seine Begegnung mit Herder, das Straßburger Münster als hervorragendes Beispiel gotischer Baukunst, mit entscheidend.

Zürich und die Schweiz

Auf allen drei Schweizreisen besuchte Goethe Zürich. Wichtige Begegnungen hatte er mit J.J. Bodmer, J.L. Passavant und J.C. Lavater. Im Vordergrund seines Interesses stand die grandiose Alpenlandschaft. Aber ihn lockte auch der Mythos eines angeblich "freien Landes." Bei der zweiten Reise 1779/80 als Goethe in Weimar bereits als Minister tätig war, interessierte er sich auch besonders für die sozialen Bedingungen der Bevölkerung und die administrativen Strukturen des Landes.

Verona und Italien

Italien war zu Goethes Zeit das Sehnsuchtsland der Adligen und Bürgerlichen. Auch dem Dichterfürsten ging es nicht anders. Er unternahm zwei ausgedehnte Reisen, auf denen er besonders von den Bauwerken der Antike, der Kunst, der Architektur, dem Theater und der Oper beeindruckt war. Aber auch auf den Gebieten der Geologie, Wetterkunde, Botanik, Zoologie, Anatomie, Morphologie und Landwirtschaft machte er neue Erfahrungen und ließ sich inspirieren.