EIN HAUS MIT POESIE

Das Petrihaus im Brentanopark wird gerettet

Anfang des 19. Jahrhunderts hat die Familie Brentano das Landhaus im Garten erworben - heute ist das Haus an der Nidda verfallen. Unternehmen und Privatleute haben nun eine Initiative für die Sanierung gestartet: es soll historisch möglichst getreu wieder hergestellt werden.

Frankfurt am Main (pia) Man sieht es ihm zwar nicht an, aber dieses Häuschen ist ein Ort der Literaturgeschichte. Clemens von Brentano hat hier gewohnt und gedichtet. Vom Kreis der Romantiker um ihn weilten die Brüder Grimm und die von Arnims dort, Schopenhauers Schwester Adele war oft zu Gast, ebenso wie Goethe-Freundin Marianne von Willemer.

Es muss ein wahres Juwel gewesen sein damals, das sogenannte Petrihäuschen im Park des Georg Brentano aus der um 1660 vom Comer See nach Frankfurt eingewanderten Handelsfamilie. "Alles vor dem Haus ist mit Granatbäumen in Blüte besetzt, Schwanen auf der Nidda, die Trauben und Passionsblumen, die auch gerade im Blühen sind, haben schon die ganze Wand und Geländer, den Altan bewachsen. Es ist zu schön und gemütlich hier", schwärmte die muntere Bettine von Arnim, geborene Brentano, 1822 davon in einem Brief an ihren Mann.

Dahin das Idyll. Geblieben ist von all dem Glanz nur ein ramponiertes Haus, mit dem weder die Zeit noch die Menschen pfleglich umgegangen sind.

Doch nun winkt Rettung. Der Vorstandsvorsitzende der Flughafen Frankfurt GmbH (FAG), Wilhelm Bender, der auch oben auf der Karriereleiter seine Kindheit als "Rödelheimer Bub" im Frankfurter Stadtteil nicht vergessen hat, ergriff vor einiger Zeit die Initiative und konnte eine Reihe von Unternehmen und Privatleuten um sich scharen, um ein Konzept zur Sanierung des Petrihäuschens auszuarbeiten. Eine runde Million Mark soll, nach Meinung von Fachleuten, dafür notwendig sein.

Damit alles schön seine Ordnung hat, ist inzwischen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet worden, an der neben der FAG auch die Frankfurter Aufbau AG und die Firma Possmann beteiligt sind. Parallel zu dieser Gesellschaft konstituierte sich ein Förderverein, dem die Aufgabe obliegt, um Spenden und Sponsoren für das Projekt zu werben. Auch die Stadt Frankfurt, aus deren leeren Kassen kaum ein finanzieller Zuschuss zu erwarten ist, trägt trotzdem zu dem Vorhaben bei. So soll das Gelände kostenlos zur Verfügung und das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt werden.

Zur Zeit unterhält das Stadtentwässerungsamt auf dem Areal einen Betriebshof, was nicht eben zur Verschönerung der Umgebung beiträgt. "Als langfristige Perspektive", meint Peter Postleb von der "Koordinierungstelle Petrihäuschen" bei der Stadt, "kann man aber vielleicht an eine Verlagerung des Betriebshofes denken". Zunächst einmal gibt es die Zusage, den

Zugang zum Häuschen für Besucher zu ermöglichen. Dazu gehört, dass der alte Wehrsteg über die Nidda hergerichtet und auch eine weitere Öffnung zum Stadtteil hin geschaffen wird.

Die Sanierungskosten für das Haus hat bereits ein Architekt im Auftrag des Landesamts für Denkmalschutz ermittelt. Wie sich bei Untersuchungen ergab, ist das Erdgeschoss ziemlich marode und müsste völlig erneuert werden, während sich Haupt- und Dachgeschoss für eine Restaurierung im weitgehend ursprünglichen Stil anbieten. Hilfreich sind dabei auch Schilderungen der Bettine-Tochter Maximiliane, die von Besuchen bei ihrem Onkel Georg Brentano erzählte und sich ähnlich begeistert wie ihre Mutter über das Häuschen äußerte: "Im Innern (des Petrihäuschens) kam man von einem kleinen Entree mit einer Nische von Mahagoni zuerst in des Onkels Arbeitszimmer. Von da trat man in den kleinen Salon, der ganz in Weiß gehalten war, weißbirkene Möbel mit roten Bezügen und einen schneeweißen Marmorkamin hatte". Des Onkels Schlafzimmer war nach ihrer Beschreibung im Mattgrün gehalten, und vor allem ein eingebauter Bienenstock, dessen Leben man durch ein Fenster beobachten konnte, bildete den Gegenstand ihres Entzückens.

Auf den Bienenstock wird man wohl verzichten. Doch sonst ist geplant, das erste Stockwerk in möglichst historischer Form wieder herzustellen und hier ein kleines Brentano- oder Literaturmuseum einzurichten. Ins Erdgeschoss soll ein Gastronomiebetrieb einziehen, der auch den Platz am Wasser für seine Gäste nutzen könnte.

Ganz ohne Beziehung zum Frankfurter Johann Wolfgang von Goethe kann solch ein literarischer Ort der Vergangenheit hierzulande natürlich kaum sein. Zwar dürfte der Dichter nicht gerade im Petrihäuschen selbst geweilt haben, doch soll er dem Handelsherrn Georg Brentano, der um 1808 im damaligen Dorf Rödelheim an der Nidda ein Gartenareal samt Landhaus erwarb, "beratend zur Seite" gestanden haben. Ob es an seinem Rat gelegen hat oder ob Gartenfreund Brentano nach eigenen Ideen sein Reich gestaltete, Zeitgenossen rühmten jedenfalls einhellig seinen "genialen Sinn und zarten Geschmack". In der blumigen Sprache seiner Epoche meinte ein Gast jener Jahre "Georg Brentanos Besitzung war so geschmackvoll und so reizend angelegt, daß sie von vielen Fremden und selbst fürstlichen Personen, die nach Frankfurt kamen, als Curiosität besucht wurde."

Der etwa zweihundertjährige Gingko unweit des Petrihäuschen war aber wohl mit einiger Sicherheit wirklich Zeuge Goethescher Besuche. Schließlich hält sich seither die Legende, der inzwischen baumchirurgisch behandelte und mit einer Art Stützkorsett versehene Veteran habe den Dichter zu seinen sehnsuchtsvollen Zeilen über den "Gingko biloba" im "West-Östlichen Diwan" inspiriert: "Dieses Baumes Blatt der von Osten / Meinem Garten anvertraut / Gibt geheimen Sinn zu kosten / Wie’s den Wissenden erbaut". Lore Kämper

Dienstag/22.9.98/37