Vom Eise befreit....

Mit einem Osterspaziergang beginnen am 5. April die Feiern zu Goethes 250. Geburtstag

Frankfurt am Main (pia) Das wird "des Volkes wahrer Himmel", um es klassisch zu formulieren. Denn wenn am Ostermontag, dem 5. April, die Stadt Frankfurt das Goethejahr zur Erinnerung an den vor 250 Jahren hier zur Welt gekommenen Dichter eröffnet, soll dieses Ereignis in Form eines Osterspaziergangs frei nach "Faust"-schem Vorbild und mit möglichst vielen Teilnehmern gefeiert werden.

Ab morgens elf Uhr geht es an Johann Wolfgangs Geburtshaus im "Großen Hirschgraben" auf den vier Kilometer langen Parcours bis zur Gerbermühle am Main, die sich bekanntlich ebenfalls mit seinem Namen verbindet. Versteht sich, dass es sich dabei keineswegs "nur" um einen reinen Spaziergang handeln wird. Vielmehr inszeniert das Frankfurter Künstlerhaus Mousonturm bis zum Einbruch der Dämmerung eine theatralisch, literarisch, bildnerisch und musikalisch angereicherte Erlebnisstrecke mit rund vierzig Einzelveranstaltungen.

Wie Karl Krause als künstlerischer Leiter dieser collageartigen Gesamtinszenierung erläutert, hat man mit viel Phantasie vierzig Stellen aus "Faust" und "Dichtung und Wahrheit" ins Bild gesetzt, um sich vor allem dem jungen Goethe vor seiner Weimar-Zeit zu nähern. In jedem Fall soll es ein Tag für alle werden, vom Kleinkind bis zum Senior. Und auch Literaturmuffel müssen sich nicht vor einem Zuviel an Buchwissen fürchten. Zwar gibt es durchaus Klassisches, aber daneben ebenso viel Unterhaltsames, mitunter auch Witziges und Skurriles zu erleben.

Wer zu Beginn am Goethehaus das "Vorspiel auf dem Theater" und "Faust Fragmente" mit Schauspielern und als Puppenspiel erlebt hat, findet sich eine Station weiter im Jahr 1755. Damals erschütterte ein Erdbeben die alte Königsstadt Lissabon – ein Schrecken auch für den zu jener Zeit erst sechsjährigen Goethe, der sich später entsprechend in seinen Erinnerungen äußerte. Den heutigen Spaziergängern bringen dokumentarische Videofilme von Naturkatastrophen diesen Moment des Erschreckens nahe.

Hat man sich vorgearbeitet in Richtung Römer-Rathaus, kann man seinen Zitatenschatz auffrischen. Für acht Stunden ist hier der berühmte "Faust-Monolog" aus der Studierstube in eine "Klage-Gasse" verlegt und lässt in einer Sprach- und Geräuschkulisse Fausts Leiden an der Welt laut werden. Das "Habe nun, ach..." erklingt in berühmten Interpretationen von Josef Kainz über Will Quadflieg bis zu Horst Caspar und modernen Varianten.

"Vom Eise befreit" sei alles, freut sich Heinrich Faust bekanntlich bei seinem Ostergang. Auf dem Eisernen Steg über den Main allerdings wird man diesem winterlichen Material trotz Frühlingsstimmung begegnen. Dort wollen drei Brüder, die wie die einstigen Märchenerzähler und -sammler den Namen "Grimm" tragen, eine aus drei Blöcken bestehende Eisplastik schaffen und daran "das Ringen zwischen dem Schaffen und Vernichten" versinnbildlichen.

Kommen wir zu "des Pudels Kern" und nach so viel Symbolismus zu wohlverdientem Vergnügen: dargeboten von den drei Jacob Sisters, zu deren Gesangsauftritten seit Jahrzehnten untrennbar ihre weißen Pudel gehören. Spaß dürfte auch die Musik der fünf riesigen historischen Jahrmarktsorgeln machen, für die fünf Künstler zeitgenössische Kompositionen geschaffen haben.

Spätestens seit Faust den Vertrag mit Mephisto mit seinem eigenen Blut unterzeichnete, weiß man, dass das "ein ganz besonderer Saft" ist. Anlass also für eine Installation aus zwei Blutspendewagen des Roten Kreuzes und der akustischen Projektion von Vampirfilmen und der Blutsbrüderschaftsszene zwischen Winnetou und Old Shatterhand.

Wo Faust ist, darf natürlich Gretchen nicht fehlen. Wo findet man sie? Unterm Bogen der Flößerbrücke, in allerlei seltsamen Zusammenhängen von "blonden, deutschen Zöpfen" bis zu "Gretchen Haute Couture", bestehend aus den Silhouetten von sieben "untragbaren Kostümen, die nur Gretchen hätte tragen können".

Im Grün des Mainufers führt der Osterspaziergang weiter, begleitet von zahllosen Theater- und Musikdarbietungen und natürlich auch mit der Möglichkeit, nicht nur den Geist, sondern auch den Körper zu stärken.

Alphornbläser an der Gerbermühle setzen das große Finale. Wo hier die Beziehung zu Goethe ist? Ganz klar: sie verweisen auf seine Italienreise, die ja einst wie heute über die Alpen führte.

Prosaische Nachbemerkung: Die Kosten für den Osterspaziergang samt seinen vierzig Premieren-Veranstaltungen belaufen sich auf 940.000 Mark, von denen ein Drittel auf die Stadt Frankfurt entfällt und zwei Drittel von Sponsoren getragen werden. Lore Kämper