„AN GOETHE HÄNGT, ZU GOETHE DRÄNGT DOCH ALLES"

Die Stadt Frankfurt wird das Jubiläumsjahr 1999 ausgiebig feiern

"Weltbürger Goethe - Weltoffenes Frankfurt", so lautet das Motto für die Festivitäten zu Goethes 250. Geburtstag. Die Stadt brütet seit Monaten über dem Festprogramm. Von Osterspaziergang bis zu einem Sonderzug quer durch Europa reicht das Spektrum.

Frankfurt am Main (pia) „An Goethe hängt, zu Goethe drängt doch alles ..." so könnte man, leicht abgewandelt, die Verse des Dichters selbst zitieren. Denn die Stadt Frankfurt, wo er am 28.August 1749 das Licht der Welt erblickte, will die 250. Wiederkehr dieses denkwürdigen Datums im Jahr 1999 ausgiebig feiern. „Würdig, fröhlich und anspruchsvoll" zugleich sollen, laut Oberbürgermeisterin Petra Roth, die Festlichkeiten zum 250. Geburtstag des großen Johann Wolfgang ablaufen, auf den sich die Mainmetropole in erster Linie beruft, wenn sie darauf verweisen will, daß nicht nur Geld, sondern auch Geist sie geprägt haben.

Das nun bereits in großen Zügen vorgestellte Rahmenprogramm für die 99er Jubiläumsfestlichkeiten unter dem Motto „Welt-bürger Goethe - Weltoffenes Frankfurt" wird sozusagen einen dreigeteilten Dichter präsentieren: den jungen Frankfurter, den Europäer und den Weltbürger Goethe.

Zur Feier des jugendlichen Frankfurters, dessen Elternhaus im „Großen Hirschgraben" stand und der hier von „Die Leiden des jungen Werthers" bis zum „Götz von Berlichingen" bereits erste Bestseller schuf, will man am Ostermontag 1999 einen „Oster- spaziergang" inszenieren. Dies wird der große Auftakt des Goethejahres sein. Auf den Spuren von „Faust" und seinem Famulus Wagner geht es dabei an die Stätten, mit deren Erwähnung der Dichter seiner Vaterstadt ein literarisches Denkmal gesetzt hat. Nach Sachsenhausen zum Beispiel, von wo aus den beiden Wanderern einst „des Dorfs Getümmel" entgegenschallte. Und weiter zur Gerbermühle („wir aber wollen nach der Mühle wandern..."), die später dann auch im Leben des älteren Goethe eine besondere Rolle spielte. Der Mousonturm wird die Veranstaltung künstlerisch und organisatorisch betreuen.

Der „Europäer Goethe" überschreitet dann bereits die Grenzen seiner Heimatstadt. Im Unterschied zu damals bedient er sich dafür allerdings der Deutschen Bahn und begibt sich im Sommer damit auf Reisen. Mit einem „Superzug" geht es an die Stätten seines Wirkens, von Frankfurt aus nach Straßburg, Zürich und Verona. Für die Reisenden werden die Bahnhöfe zu „Hallen kultureller Begegnung", und die angesteuerten Städte wollen den Ankunftstag zum „lokalen Goethe-Tag" gestalten. In Straßburg gibt es eine Sonderführung auf den Spuren Goethes, und zu später Stunde weckt eine deutsch-französische Chanson-Nacht an der illuminierten Ill zärtlich-romantische Erinnerungen an die junge Liebe zu Friederike.

Weniger bekannt ist vielleicht Goethes Begegnung mit seinem philosophischen Lehrer Lavater, die in Zürich stattfand. Dort gedenkt man seines Aufenthalts mit einer „literarischen Schiffsfahrt" auf dem Zürichsee sowie mit einer Ausstellung über „Goethe und die Naturwissenschaften". Mit Verona erreichen dann auch die Reisenden von Anno 1999 des Dichters Sehnsuchtssziel Italien und können die weltberühmte Arena erleben. Zweisprachig wird dort aus der „Italienischen Reise" gelesen. Und das Frankfurter Senckenberg-Institut stellt gemeinsam mit Verona „Goethe und die Fossilienforschung" vor.

Den Höhepunkt des Festjahres bildet natürlich der 28. August, der Geburtstag selbst, der unter der Schirmherrschaft der UNESCO steht. Zu Ehren des „Weltbürgers", der geographische und kulturelle Grenzen überwand und den das Nahe ebenso faszinierte wie das Ferne, wird der eigentlich erst im Jahr 2000 „fällige" renommierte Goethepreis bereits ein Jahr früher vergeben. Den Tagesausklang soll eine große Festveranstaltung unter dem Jahresmotto „Weltbürger Goethe" bilden.

Noch in der Planungsphase stecken zur Zeit die meisten Vorhaben der verschiedenen Kulturinstitute in der Stadt. Während im Goethejahr 1999 über das Geburtshaus Johann Wolfgangs im „Gro- ßen Hirschgraben" vermutlich eine wahre Besucherlawine hereinbrechen wird, will das soeben wiedereröffnete, aufwendig restaurierte Goethe-Museum nebenan eine Ausstellung über „Goethe und die Romantik" präsentieren. Im Historischen Museum widmet man sich dem naheliegenden Thema „Goethe in Frankfurt", Liebieghaus und Städel reihen sich mit eigenen Veranstaltungen ein, im Literaturhaus gibt es Lesungen zum Thema „West-öst-licher Diwan", und die Deutsche Bibliothek nimmt sich der Konstellation „Goethe und Deutschland" an. Im Schauspiel stellt man beide Teile des „Faust" auf die Bühne, und das Volkstheater trägt mit dem „Urfaust" in heimischer Mundart das Seine zum Thema bei.

Trotz all dieser Aktivitäten, mit denen einerseits Goethe wieder mehr ins Bewußtsein gehoben werden und andererseits auch das Image seiner Vaterstadt ein wenig vom olympischen Glanz profitieren soll, übt man sich finanziell in selbstverordneter

Bescheidenheit. Städtische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind zuständig für die Konzeptionen und Veranstaltungen, und alle Fäden laufen bei einer „Stabsstelle" im Büro der Oberbürgermeisterin zusammen. Längst haben sich aber auch die Bürger selbst der Jubiläumspläne für „ihren" Goethe angenommen. So hat sich schon vor geraumer Zeit ein 24 Mitglieder aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens umfassendes Kuratorium gebildet, das - unterstützt von einem „hochrangigen Beirat" - ideelle und materielle Beiträge zum 250. Geburtstag leisten und daraus „ein Fest für alle" machen will.

Ob allen das Logo des Goethejahrs 1999 gefällt, das uns demnächst von Postern, Plakaten und jeglichem nur irgendwie als Erinnerungsstück geeigneten Gegenstand grüßen wird, bleibt abzuwarten. Es zeigt den Dichterfürsten als Strichmännchen mit etwas spitznasigem Profil in der bekannt-lässigen Campagna-Pose. Aber: „Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen", sagte schon Goethe. Lore Kämper

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