FAUST IN FRANKFURT

Die Proben zu der Tragödie erster Teil haben am Schauspiel Frankfurt begonnen

1999 feiert Frankfurt den 250. Geburtstag seines berühmtesten Sohnes. Als Auftakt zum Goethe-Jubiläums-Jahr inszeniert das junge Regisseur-Duo Tom Kühnel und Robert Schuster im Schauspiel Frankfurt den "Faust". Premiere ist am 30. Januar, und im Mai steht dann der "Faust II" auf dem Programm.

Frankfurt am Main (pia) Den Pudel spielt eine Puppe - so viel weiß man schon. Aber zu dem, was sonst - um mit Goethe zu sprechen - "des Pudels Kern" sein wird, wollen Tom Kühnel und Robert Schuster noch keine Einzelheiten verraten. Denn der große Auftakt zu den Goethe-Festlichkeiten in Frankfurt am Main sollte unbedingt auch noch ein Moment der Überraschung bergen.

Die Premiere von "Faust I" am 30. Januar 1999 am Schauspiel Frankfurt ist der Auftakt zum Goethe-Jubiläums-Jahr in der Geburtsstadt des Dichters. Und von Tom Kühnel (27) und Robert Schuster (28), dem jungen, hochgelobten und seit dem Vorjahr am Schauspielhaus arbeitenden Regisseur-Duo, dürfte wohl ein spannendes Theater-Ereignis zu erwarten sein. Nachdem sich beide nun einige Monate lang lesend und diskutierend mit dem gewaltigen Thema beschäftigt haben, um sich dem zu nähern "was die Welt im Innersten zusammenhält", haben inzwischen die Proben zu "Der Tragödie erster Teil" begonnen.

Obgleich die beiden Jung-Stars, wie gesagt, zurzeit noch gern mit Vorinformationen zu ihrer "Faust"-Adaption geizen, denn "der Zuschauer sollte selbst Entdeckungsarbeit leisten und nicht schon vorher wissen, was passieren wird", lässt sich doch mit einiger Sicherheit voraussagen, dass sie Faust selbst als zentrale Figur ihrer Inszenierung auffassen. Im Gegensatz zu zahlreichen Aufführungen des Werkes, in denen eher die Gestalt des Mephisto oder des Gretchen herausgearbeitet sind. "Faust ist ein Suchender. Sein Ziel ist es, die Welt, das unzerteilte Ganze, zu erkennen. Doch das bleibt ihm verwehrt", heißt es in einem kurzen Konzeptions-Entwurf. Da will "einer bewegen und bewegt werden. Und immer will er etwas wissen: über Glück und Unglück, Macht und Kapital, über Schönheit und Verlust. Er erkennt: die gegebenen Weltenkreise sind, wie sie sind."

Ungeachtet dieses schwergewichtigen Dramas der Seele und der Seelenrettung  setzen die Jung-Regisseure auch auf ironische Brechungen. Beispiel: Vor Probenbeginn wurde eine junge Hexen-Darstellerin gesucht, "neun Jahre oder so". Warum? Weil sie ein bisschen zu viel von dem Verjüngungstrank genippt hat, mit dessen Hilfe sich der alternde Doktor Faust noch einmal zum jungen Liebhaber wandeln möchte.

Weitere heutige Zugaben zur klassischen Handlung sollen Puppen sein, die quasi parallel zu den Schauspielern geführt werden. Eine Spezialität des Duos Kühnel/Schuster, die sie bereits in ihrer, von Kritik wie Publikum sehr beifällig aufgenommenen, "Peer Gynt"-Inszenierung in Frankfurt einsetzten. Es sind keine herkömmlichen Marionetten oder Handpuppen, sondern eher Figuren einer seltenen Form des japanischen Puppentheaters. Auch einen Chor wird es geben, "nicht nach griechischer Art und in Walle-Gewändern", so Tom Kühnel, aber mit "echten" Chorsängern und Schubert-Musik.

Für den Mai 1999 ist dann - falls es mit der Finanzierung klappt - der "Faust II" angesagt. Inzwischen haben, wie verlautet, Wirtschaftsinstitute und Finanzunternehmen aus dem Rhein-Main-Gebiet eine halbe Million Mark als Sonderspende für das "Faust"-Projekt bereitgestellt, um diesen wichtigen Beitrag zur Gestaltung des Goethe-Jahres in des Dichters Heimatstadt zu ermöglichen.

Robert Schuster und Tom Kühnel geben sich trotz knapper Probezeit bis zur Premiere und vieler noch nicht zu Ende gedachter Ideen erstaunlich ruhig. "Das ist nur Training des vegetativen Nervensystems", grinst "Zwilling" Robert, der blond und eher gesetzt, wie eine Art Gegenpol zum dunklen, schmalen Partner Tom wirkt. Natürlich waren beide zunächst "überwältigt" von der Riesenaufgabe, die man ihnen da anvertraut hat. Auf ihre Jugend angesprochen, verweisen sie allerdings auf Goethe selbst, der mit dem "Faust" in noch jüngeren Jahren begonnen hat. Jedwede Vergleiche mit dem Regisseur Peter Stein jedoch, der in Berlin das Werk an sechs Abenden auf die Bühne stellen will und älter ist als die beiden Jung-Regisseure zusammen, weisen sie in aller Entschieden- und Bescheidenheit von sich. "Das ist ein Jahrhundert-Ereignis. Ihm gegenüber befinden wir uns absolut in Schülerposition. Ein großes Vorbild."

Kühnel und Schuster, deren Namen man kaum noch einzeln nennt, stammen beide aus der ehemaligen DDR und lernten sich an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch"

kennen. Gemeinsam haben sie 1993/94 beim Kunstfest in Weimar bereits am "Faust"-Projekt von Manfred Karge mitgearbeitet. Brecht, Lessing, Sophokles und wieder Goethe zählen zu den von ihnen inszenierten Autoren. Samuel Becketts "Warten auf Godot" war ihre erste Arbeit am Schauspiel Frankfurt, wo sie sich seit 1997 als Hausregisseure mit "Peer Gynt" und "Titus Andronicus" vorstellten. An Auszeichnungen erhielten sie bisher den Max-Reinhardt-Preis der Republik Österreich, den Friedrich-Luft-Preis der "Berliner Morgenpost" und den Förderpreis der Dr. Otto-Kasten-Stiftung. Lore Kämper

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