Ein Dichter auf Reisen – Wege zu Goethe

Mit einem Theaterzug auf den Spuren des Dichterfürsten

Frankfurt am Main (pia) - "Was ist reisen? Ist fröhlich leben!" meinte der für seine Zeit außerordentlich mobile Johann Wolfgang von Goethe. Unter erheblich komfortableren Bedingungen als sie dem Dichter einst in seiner vermutlich nur mäßig gut gefederten Reisekutsche zu Verfügung standen, können vom 20. bis 24. August dieses Jahres seine heutigen Leser und Bewunderer auf rund 980 Kilometern seinen Spuren folgen.

Im Rahmen eines "europäischen Kulturprojekts" führt aus Anlass des 250. Geburtstags Goethes eine fünftägige Bahnreise unter dem Motto "Ein Dichter auf Reisen – Wege zu Goethe" von seiner Heimatstadt Frankfurt am Main aus nach Straßburg, Zürich und Verona und damit zu wichtigen Etappen seines Lebens und Werkes. Dabei wird ein Touristikzug der Deutschen Bahn AG eigens zu einem Theater- und Kunstraum umgestaltet, den der Regisseur Wolfram Lenssen mit seinem Ensemble in Szene setzt. "Ein außergewöhnliches Projekt: ein bewegliches Theater auf tausend Kilometer Gleisen, etwas, das es in dieser Form noch nicht geben hat", so beschreibt Nikolaus Münster, der Leiter des Frankfurter Presseamtes, das von der Stadt gemeinsam mit Ameropa-Reisen und weiteren Kooperationspartnern organisierte Unternehmen, das 450 Reiseteilnehmern an Bord des Zuges das gemeinsame Erlebnis von Musik, Theater und Aktionen auf rollenden Rädern, sowie an den jeweiligen Zielorten bescheren soll - alles natürlich immer in enger Beziehung zu Goethe.

"In einer Stadt wie Frankfurt befindet man sich in einer wundersamen Lage, immer sich kreuzende Fremde deuten nach allen Weltgegenden hin und erwecken Reiselust", lobte der entdeckungsfreudige Dichter einmal seine Geburtsstadt, die sich in diesem Punkt seither wenig verändert hat. Am Morgen des 20. August um 10 Uhr geht es also zunächst in Richtung Straßburg, wo die Kultur-Reisenden gegen 14 Uhr erwartet werden. Hier folgt man durch schmale, romantische Gassen dem jungen Goethe, dem nicht sonderlich fleißigen Jurastudenten, auf den das Straßburger Münster einen solch tiefen Eindruck machte, dass er es noch später mit dem Hymnus "Von deutscher Baukunst" feierte. Und vor allem Friederike Brion, die Pfarrerstochter im nahe gelegenen Dorf Sesenheim, gehört in die Straßburger Zeit der fröhlichen Wanderungen und Tanzfeste, als die berühmte Jugendliebe, derer er in "Dichtung und Wahrheit" gedenkt. "Sah ein Knab‘ ein Röslein stehn" zählt zu den bekanntesten Gedichten, die im Überschwang jugendlicher Gefühle entstanden. Den Abend verbringen die Reisenden bei einer theatralisch-musikalischen Soirée in der Eglise Saint-Pierre-Le-Jeune.

"Naturerleben" nennt sich eines der Themen, unter dem die Weiterreise am nächsten Morgen in Richtung Zürich steht. Im Zug ist dazu eine Ausstellung zu Goethe und den Naturwissenschaften zu sehen. Am Abend lädt das Goethe-Ensemble zu einer literarischen Schiffsfahrt auf dem Zürichsee. "In der Ferne die blaue Reihe der höheren Gebirgsrücken" schauend, kann dabei jeder sein ganz persönliches Naturerlebnis finden. An der Anlegestelle begrüßt der Kammersprechchor Zürich die Seefahrer mit bekannten Balladen des Dichters. In Zürich, wo sich Goethe mehrere Male aufgehalten hat, begegnete er unter anderen auch dem Schweizer Prediger und Schriftsteller Johann Kaspar Lavater. Zwischen beiden entwickelte sich zunächst eine so enge Freundschaft, dass sie auf Reisen sogar "in ein und demselben Bette" schliefen. Später jedoch distanzierte sich Goethe von ihm und seinen Theorien über Zusammenhänge zwischen menschlicher Physiognomie und Charakter so entschieden, dass es zum völligen Bruch kam, und er sich bei einer weiteren Zufallsbegegnung in Zürich eiligst und ungesehen aus dem Staub machte.

Weiter führt der Reiseweg auf den Spuren des Dichterfürsten nun über die Alpen. Wozu er damals reichlich Zeit brauchte, schafft der Goethe-Sonderzug in gut sieben Stunden und erreicht am späten Nachmittag Verona. Wer Lust hat, kann abends im Rahmen der Opernfestspiele eine "Aida"-Aufführung in der berühmten Arena erleben. "Das Amphitheater ist also das erste bedeutende Monument der alten Zeit, das ich sehe, und so gut erhalten!" staunte der Italienreisende vor mehr als zweihundert Jahren. Neben einem Bummel durch die pittoreske Altstadt sieht das Verona-Programm ein abendliches Fest auf der "Piazza dei Signori" vor. Musiker des Veroneser "Teatro Scientifico", Harlekine, Possenreißer, Pulcinelle, Capitanos und das Goethe-Ensemble inszenieren einen temperamentvollen "Römischen Carneval". Wie meinte Johann Wolfgang dort seinerzeit voll deutscher Verwunderung? "Übrigens schreien, schäkern und singen sie den ganzen Tag, werfen und balgen sich, jauchzen und lachen unaufhörlich... Alles, was nur kann, ist unter freiem Himmel. Nachts geht nun das Singen und Lärmen recht an."

Nach diesen zahlreichen Eindrücken an den verschiedenen literarischen Schauplätzen dient der Rückreisetag in erster Linie der Entspannung und Rückschau auf das Erlebte. Bei der Ankunft im Frankfurter Hauptbahnhof wird ein Schlusstableau am späten Abend die Goethe-Reise 1999 beenden. Lore Kämper

(Termin: 20. bis 24. August 1999. Leistungen: Bahnfahrt im Sonderzug, vier Übernachtungen und ein umfangreiches Kulturprogramm während der Reise und an den Zielorten. Preis: ab DM 1795.-.

Informationen: Geschäftsstelle Goethejahr 1999, Tel. 069/212-31999 oder in allen Reisezentren der Deutschen Bahn AG, im Reisebüro oder bei Ameropa-Reisen Tel.: 06172/109-177)