Mehr Licht
Ausstellung im Frankfurter Städel zum Goethe-Jubiläumsjahr
Die vom Städelschen Kunstinstitut und dem Liebieghaus konzipierte zentrale Kunstausstellung zum Goethejahr zeigt Meisterwerke aus Malerei, Skulptur und Graphik. Leihgaben aus den berühmtesten Museen der Welt belegen den Bruch, der sich zwischen 1750 und 1780 in der bildenden Kunst unter dem Einfluss der Aufklärung vollzog.
Frankfurt am Main (pia) Als letztes Dichterwort ist der Ausspruch "Mehr Licht" längst schon in den Bereich der schönen Legenden verwiesen. Nichtsdestoweniger eignet er sich bestens als Titel der großen zentralen Kunstausstellung der Stadt Frankfurt im Goethe-Jubiläumsjahr 1999 (28. August bis 9. Januar 2000). Denn einerseits bildet er eine gedankliche Beziehung zur Person Goethe, zum anderen verweist er auf die Epoche der Aufklärung und ihren Leitgedanken, das Dunkel von Unwissen und Unbildung zu vertreiben. Malerei, Bildhauerei und Graphik stellten sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in den Dienst der Aufklärung. Die Kunst wandte sich neuen Aufgaben zu, wurde zur Vermittlerin von Bildung und Erziehung, und ein neuer, durch Klarheit der Formen und Einfachheit der Linien gekennzeichneter Stil entwickelte sich.
Den Besuchern der von Städel und Liebieghaus gemeinsam konzipierten Ausstellung steht eine Reise zu den bedeutendsten Kulturzentren Europas und die Begegnung mit herausragenden Kunstwerken bevor. Im Neubau des Städel hat die Ausstellungsarchitektur von Jan Pappelbaum und Dorothee Ruge auf beiden Etagen verschiedenfarbige Räume geschaffen, zwischen denen Arkaden Durchgänge und freie Durchblicke zulassen. An zwölf Beispielen sollen der Anteil der bildenden Kunst am Prozess der Aufklärung und der Formenwandel zwischen 1750 und 1780 sichtbar werden, einer Zeit, in der sich bedeutende Veränderungen vollziehen und die als Beginn der Moderne gilt.
Infolge "einer geradezu großartigen Hilfsbereitschaft", so Ausstellungs-Kuratorin Maraike Bückling, haben Leihgaben aus den berühmtesten Museen der Welt, wie dem Prado in Madrid, dem Pariser Louvre, der Eremitage in St. Petersburg und der Londoner National Gallery, den Weg nach Frankfurt gefunden.
Erste Station der Kunstwanderung durch das Europa um 1770 ist Rom mit seiner Rezeption der griechisch-römischen Antike. Der Blick fällt eingangs auf das großformatige Gemälde "Roma Antica" von Giovanni Panini. Natürlich gehört auch das städeleigene Tischbein-Bild "Goethe in der Campagna" in diesen Bereich. Weiter geht es nach Stockholm, das sich mit Skulpturen von Johan Tobias Sergel präsentiert. Sergel kam 1767 als Staatsstipendiat Schwedens nach Rom und fand dort, von den Eindrücken der Stadt überwältigt, zu einem künstlerischen Neuanfang. Am Beispiel London steht die Wirkung von Naturwissenschaft und Sensibilitätskult auf die Kunst im Mittelpunkt. In der träumerisch hingegossenen Gestalt des "Sir Brooke Boothby" von Joseph Wright of Derby, findet sie einen so typischen Ausdruck, dass dieses Motiv den Blickfang auf Plakaten und anderen Werbematerialien zur Ausstellung bildet.
Für den Einfluss der Natur auf die Kunst steht exemplarisch auch die Schweiz, die in den Jahren um 1760 zu einer Art Wallfahrtsziel für Gebildete wurde. Nicht allein Goethe, sondern viele seiner Zeitgenossen begannen aktiv die Alpenwelt zu erkunden. Der "Rhônegletscher" von Johann Heinrich Wüest zeugt vom erwachten Interesse auch der Maler an der Schönheit der Gebirge. Mit einem einzelnen Künstler und seiner "Suche nach der Wahrheit des Menschen" präsentiert sich das Zentrum Wien. An Franz Xaver Messerschmidts Büsten lässt sich die Wandlung seines Schaffens vom traditionellen Kaiserporträt bis zum Charakterkopf erkennen.
Im zweiten Stock öffnet sich zunächst ein Pariser Salon. Hier geht es um die Modernität in der Kunst, um die zunehmende Bedeutung von Kunstkritik und die ersten Anzeichen dafür, dass Ausstellungen beginnen, ein Massenpublikum anzusprechen. Wie man sich im Zuge der Aufklärung auf nationalspanische Tradition besinnt, belegt das Kunstzentrum Madrid. Spanische Seehäfen, spanische Lebensmittel und Teppichmanufakturen etwa sind beliebte Motive. Eines der Glanzstücke in der Ausstellung dürfte sicherlich Francisco Goyas "Fürst von Floridablanca" sein, wo sich der Maler selbst mit dem Bild des Porträtierten darstellt, der wiederum in Richtung des Betrachters wie in einen unsichtbaren Spiegel blickt.
Über Venedig, vertreten durch berühmte Namen wie Canova, Canaletto und Tiepolo, sowie die deutschen Städte München mit Stichwort "Katholische Aufklärung" und Berlin unter dem Begriff "Bürgerliche Sozialisation" gelangt man schließlich in einen großen grünen Raum, der sich ausführlich St. Petersburg und der Kunstförderung durch Katharina die Große widmet. Die reformfreudige Monarchin sammelte nicht nur kenntnisreich modernste westliche Kunst, sondern unterstützte ebenso die russische Malerei. Im Städel ist man besonders stolz darauf, hier erstmals russische Kunst auf hohem Niveau im europäischen Kontext darzustellen.
Den Ausklang des Rundgangs bildet ein Kabinett mit Druckgraphik, die sich um 1770 zur eigenständigen Kunstform entwickelt und als Sammlungsobjekt in ganz Europa in Mode kommt. Und da die gesamte Ausstellung nicht nur einen Tribut an die Aufklärung und ihre Ideen darstellt, sondern ebenso an den 250. Geburtstag Johann Wolfgang Goethes, finden sich natürlich auch einige Werke des Dichters, der selbst als Maler und Zeichner durchaus Begabung aufwies.
Lore Kämper
(Städel : "Mehr Licht" Europa um 1770 - Die bildende Kunst der Aufklärung.
22. August 1999 bis 9. Januar 2000. Zur Ausstellung gibt es einen Katalog und ein umfangreiches Führungsprogramm. Informationen: 069/212-38615)